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Beurlaubte Kanzlerin der FU Berlin wird von Senatsverwaltung verklagt

Neue Volte im Fall der seit langem zwangsbeurlaubten Kanzlerin der Freien Universität: Die Senatsverwaltung erhebt jetzt eine Disziplinarklage gegen sie.

Logo der Freien Universität Berlin im Eingangsbereich der Philologischen Bibliothek.

Foto: WikiCommons, CC BY-SA 2.0.

ES IST EINE ÜBERRASCHENDE WENDE. Eben noch bereitete sich die Freie Universität Berlin (FU) auf die mögliche Rückkehr ihrer seit 35 Monaten zwangsbeurlaubten Kanzlerin Andrea Bör vor. Jetzt wird bekannt, dass die zuständige Senatsverwaltung beim Verwaltungsgericht Berlin Disziplinarklage erhoben hat, verbunden mit dem Antrag, Bör "aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen". 

 

Unter anderem wird angeführt, Bör habe sich im Verfahren nicht kooperativ gezeigt. Sie habe die Bemühungen der Mitglieder von Kuratorium und Akademischem Senat der FU für eine Zusammenarbeit zurückgewiesen – "mit der Absicht der weiteren Eskalation". Zwei Mediationsversuche hätten nicht zu einer Entspannung geführt, "sondern wurden von der Beklagten genutzt, um das von ihr ausgehende Zerwürfnis noch zu vertiefen".

 

Dass überhaupt Bewegung in die Sache kommt, liegt an einer Fristsetzung, die Bör gerichtlich erwirkt hatte. Die Verwaltung von Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra (SPD) war verpflichtet worden, das seit Dezember 2021 laufende Disziplinarverfahren bis 20. November 2024 abzuschließen. Noch im Oktober hatte FU-Präsident Günter M. Ziegler im Akademischen Senat gesagt, es könnte damit die Rückkehr Börs an die FU im Raum stehen.

 

Die Senatsverwaltung wollte auf Anfrage keine Angaben zum Verfahrensstand machen. "Wir können und dürfen uns zu Personaleinzelangelegenheiten nicht äußern", sagte ein Sprecher. Es ist jedoch anzunehmen, dass sich das Dienstausübungsverbot voraussichtlich bis zum Abschluss des Verfahrens vor dem Verwalungsgericht verlängert.

 

Bör zeigt sich
überrascht von der Klage

 

Bör bestätigte auf Anfrage den Erhalt der Klageschrift und zeigte sich überrascht über deren Inhalt. Sie sei der Auffassung, dass die Forderung nach der Höchststrafe, der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis, im Widerspruch zu den bisherigen Ermittlungen stehe. Diese hätten ihrer Einschätzung nach eher auf einen baldigen Abschluss des Verfahrens hingedeutet. Darüber hinaus wollte Bör sich derzeit aber nicht äußern.

 

Eingeleitet hatte die Senatsverwaltung das Disziplinarverfahren bereits, als noch Michael Müller (SPD) Regierender Bürgermeister und Wissenschaftssenator war. Hintergrund waren Vorwürfe, Bör habe 2021 an den Universitätsgremien vorbei eine Personalagentur beauftragt, um vor der letzten FU-Präsidentenwahl einen Gegenkandidaten zu Ziegler zu finden, der wieder antreten wollte. Als der Auftrag zurückgezogen wurde, war bereits eine fünfstellige Honorarsumme aus FU-Haushaltsmitteln geflossen. Der Akademische Senat missbilligte Börs mutmaßliches Vorgehen, zahlreiche Mitglieder des Gremiums sprachen ihr das Misstrauen aus.

 

Kurz nachdem Ziegler im Februar 2022 wiedergewählt wurde, untersagte die inzwischen ins Amt gekommene Wissenschaftssenatorin Ulrike Gote (Grüne) der Kanzlerin dann mit sofortiger Wirkung, ihre Amtsgeschäfte auszuüben. Im Mai 2022 erstattete die Wissenschaftsverwaltung Strafanzeige wegen mutmaßlicher Untreue, die Beurlaubung wurde verlängert – und danach immer weiter. 

 

Dabei wurden Börs Bezüge auf der Stufe B5 weitergezahlt, was zurzeit knapp 10.000 Euro monatlich entspricht. Die Zahlungen würden auch bei Annahme der Disziplinarklage durch das Verwaltungsgerichts weitergehen.

  

Im Oktober 2023 bestätigte das Oberverwaltungsgericht noch das Dienstausübungsverbot. Im Februar 2024 dann eine erneute Wende: Die Staatsanwaltschaft stellte ihr nach der Strafanzeige aufgenommenes Ermittlungsverfahren ein. Es lägen keine hinreichenden Anhaltspunkte für ein strafbares Verhalten der Beschuldigten vor. Das Disziplinarverfahren kam dennoch zu keinem Ende. Es folgte die Fristsetzung durch das Verwaltungsgericht, die Senatsverwaltung müsse ihre Entscheidung bis 20. November treffen – was diese jetzt mit ihrer Disziplinarklage getan hat.

 

In der über 100 Seiten langen Klageschrift wird Bör detailliert das "Hervorrufen und Verstärken des Zerwürfnisses mit dem Präsidenten und dem Präsidium" vorgeworfen, außerdem besagte "eigenmächtige Beauftragung der Personalagentur", es wird ein "Persönlichkeitsbild der Beklagten" erstellt und der "Vertrauensverlust durch das Dienstvergehen" bilanziert.

 

Die Kanzlerin soll ihrerseits Klage auf
Lebenszeit-Position 
eingereicht haben

 

Vor wenigen Tagen erst, am 8. November, hatte das FU-Kuratorium einstimmig einen vertraulichen Beschluss gefasst, um sich auf eine mögliche Rückkehr Börs vorzubereiten. Kerninhalt ist eine sogenannte "Ersatzverwendung" für die Kanzlerin, sprich: die Versetzung auf eine andere Stelle, die allerdings mit B2 in eine geringere Gehaltsklasse gefallen wäre. 

 

So wollte man verhindern, dass Bör ihren alten Job zurückbekommt. Den hatte in den vergangenen drei Jahren kommissarisch Andrea Güttner inne. Senat und Kuratorium haben wiederholt bekräftigt, dass sie Güttner und nur Güttner weiter in diesem Amt sehen wollten. Man habe das Vertrauen in Bör verloren und halte dessen Wiederherstellung für ausgeschlossen. "Ein Wiederherstellen einer konstruktiven Zusammenarbeit hält das Kuratorium für unmöglich", zitierte Ziegler im Oktober vor dem Akademischen Senat aus einem bereits 2022 gefassten Beschluss, der seitdem zweimal einstimmig bestätigt worden sei. Ziegler selbst sagte, eine Rückkehr würde die FU "erheblich beschädigen".

 

Die Amtszeit Börs läuft bis Mitte 2026, die Verhandlung einer Disziplinarklage würde sicherlich den größten Zeitraum bis dahin füllen. Doch dem Vernehmen nach hat Bör parallel eine Klage auf Umwandlung ihrer Stelle in eine Lebenszeit-Position eingereicht – mit Berufung auf entsprechende Gerichtsentscheidungen. Fest steht: So schnell werden sich FU und Bör gegenseitig nicht los.

 

Dieser Artikel erschien zuerst im Tagesspiegel.



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