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Leichter Beruf mit hohem Gehalt gefällig?

Auf einem Online-Job-Portal wird der Beruf des Hochschullehrers als stressfrei dargestellt. Sich darüber aufzuregen, wäre fast schon zu viel Beachtung – steckte in solchen Beiträgen nicht ein gefährliches Anti-Akademikertum.

KENNEN SIE Kununu? Arbeitnehmer und Bewerber können dort Arbeitgeber bewerten – qualitätsgesichert und transparent, wird versprochen. "Mit über acht Millionen authentischen Erfahrungsberichten zu Arbeitgebern" greift Kununu nach eigener Darstellung "Zahlen, Fakten und Themen" auf.

 

Neulich brachte das Portal zum Beispiel eine Top-Zehn-Liste, Überschrift: "Leichte Berufe mit hohem Gehalt: Das sind Jobs ohne Stress". Darunter Personal Trainer:in, Museumswärter:in, Verwaltungsfachangestellte:r, Bibliothekar:in und: "Hochschullehrer:in/Dozentin".

 

Lesen wir mal rein. "Wenn du ein wissenschaftliches Interesse hast, aber einen stressigen Job in der Wirtschaft scheust, bietet sich ein Job als Hochschullehrer:in beziehungsweise Dozent:in an. Du hast die Möglichkeit, dich auf deine Forschung zu konzentrieren und unterrichtest Student:innen in deinem Fachbereich. Wobei sich die Zahl der Stunden, die du unterrichten musst, in Grenzen hält." An Universitäten seien planmäßig lediglich acht Stunden pro Woche vorgesehen – "und das nur während der Semester, also zirka sieben Monate pro Jahr". Vor- und Nachbereitung, Prüfungen, Sprechstunden kämen natürlich noch dazu – "aber dennoch ist Hochschullehrer:in ein leichter Beruf mit hohem Gehalt."

 

Alles nur Clickbait?

 

Man kann sich bei jeder Zeile bildlich vorstellen, wie all jenen, die seit Jahren für bessere Arbeits- und Karrierebedingungen in der Wissenschaft kämpfen und gerade unter dem Chiffre "#IchbinHanna" die Hochschulpolitik aufmischen, die Hutkrempe hochgeht. Aber Gemach, das ist es gar nicht wert. Besser man lacht kurz, fragt sich, ob solch ein Clickbait wirklich funktioniert und ob die Seriösität von Kununu sich grundsätzlich auf diesem Level abspielt.

 

Dann allerdings sollte man wieder ernst werden und sich Sorgen machen über die ausgeprägte Unkenntnis und das Anti-Akademikertum, die in solchen Beschreibungen stecken. Auch wenn Sie (wie ich) bislang nicht zu den Besuchern von Kununu gehörten: Viele, sehr viele Leute lesen so etwas. Über die nächste Stufe, die Verachtung von Wissenschaft, muss man sich dann eigentlich nicht mehr wundern. 


Dieser Kommentar erschien zuerst in meiner Kolumne "Wiarda will's wissen" im Tagesspiegel.



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Kommentare: 6
  • #1

    Florain (Montag, 11 Dezember 2023 18:34)

    Sehr geehrter Herr Wiadra,
    Vielen Dank, dass Sie heute im Tagesspiegel so für den Hochschullehrerberuf in die Bresche springen, aber: Obwohl ich "nur" an einer staatlichen FH (bzw. jetzt HaW) Prof bin, kann ich die Vorurteile eigentlich bestätigen. Zwar müssen wir immerhin 18 statt 8 oder 9 SWS an einer Uni leisten, dennoch ist das Gehalt von in meinem Fall über 6000 EUR/netto pro Monat (Familienzuschlag, einige Leistungszuschläge) ehrlicherweise leicht verdient.
    Wie erwähnt, passiert in der vorlesungsfreien Zeit außer ein paar E-Mails tatsächlich nichts. Ich gehe üblicherweise einmal pro Woche in die Hochschule, um mein Fach zu leeren oder eine Prüfung abzunehmen.
    Im Semester gehe bin ich zwei Tage pro Woche in der Hochschule. Das ist aus meiner Sicht vollkommen üblich (Es gibt auch Kolleg:innen, die seit Corona nur noch Online-Lehre machen, obwohl das eigentlich verboten ist, aber wo kein Kläger...)
    Die 18 SWS setzen sich dann üblicherweise wie folgt zusammen:
    4 SWS Vorlesungen (SU)
    10 SWS Übungen (bei denen man den Studierenden üblicherweise Übungsblätter zur selbstständigen Bearbeitung gibt, sodass man derweil Abschlussarbeiten lesen kann; zahlreiche Kolleg:innen lassen die Übungen auch von Labormitarbeitern durchführen und "sitzen" die Zeit im Büro ab)
    2 SWS für irgendein Amt, das praktisch keinen Aufwand macht (Bafög, Praktikanten, Laborleitung, ...)
    2 SWS für die Betreuung von Praktikanten und Abschlussarbeiten.

    Forschung wird zwar gern gesehen, fehlende Forschung wird jedoch nicht gerügt. Sie wird monetär auch nur minimal gefördert, mit 100 Euro brutto extra monatlich, die alle 5 Jahre neu zu beantragen sind (für gute Lehre kann man dagegen 200 Euro bekommen). Ich bewundere jede:n, die unter diesen Bedingungen forscht, aber die Motivation muss komplett intrinsisch sein, zumal einem bei der Beantragung von Forschungsmitteln die Verwaltung nicht gerade unterstützt, um es mal freundlich zu formulieren.

    Zusätzlich dürfen Profs ja nebenberuflich selbständig tätig werden, was viele Kolleg:innen eifrig und einträglich nutzen (lustigerweise sind hier ja die Stunden, nicht aber die Höhe der Einnahmen begrenzt).

    Gerade heute wurde mir auf LinkedIn übrigens eine Anzeige der HTW angezeigt, die vielleicht auch interessant ist: Die Anzeige heißt „Vorteile einer Professur“, weitergeleitet wurde man zur Seite https://www.htw-berlin.de/karriere/jobs-an-der-htw-berlin/professuren/vorteile-einer-professur/ , auf der auch nochmal steht: „Einzigartige Work-Life-Balance: Durch die akademische Selbstverwaltung haben Sie viele Freiheiten in der Ausgestaltung Ihrer Professur. Ganz nach Ihren individuellen Bedürfnissen können Sie ein passgenaues Verhältnis zwischen Berufs- und Privatleben schaffen.“ Das trifft es.

    Mein Fazit: Es ist kein Clickbait, sondern die Realität. Es ist zwar nicht ganz einfach auf eine (FH)-Professur zu kommen, aber wenn man sie hat. Ist es ein leichter Beruf mit (vergleichsweise) hoher Bezahlung, sofern man das möchte. Beamtenstatus inklusive.

  • #2

    Edith Riedel (Dienstag, 12 Dezember 2023 10:23)

    "Ich gehe üblicherweise einmal pro Woche in die Hochschule, um mein Fach zu leeren oder eine Prüfung abzunehmen."

    Hier wird in der Tat ein Fach geleert...Troll much?

  • #3

    Lehrbeauftragter (Mittwoch, 13 Dezember 2023 09:42)

    Eine Amerkung zum Beitrag von Florain: Tja, das gibt es auch. Ich kenne allerdings FH-Profs, die ihren Beruf und die damit einhergehende Verantwortung ernst nehmen, und da sieht es mit der Arbeitsbelastung etwas anders aus, insbesondere in Prüfungsphasen. An den Unis und zum Teil auch an Fachhochschulen wird ein sehr großer Teil der Lehre nicht von Professor:innen, sondern von prekär beschäftigten, befristet angestellten WiMis geleistet, die dafür oftmals gar kein Geld erhalten (weil sie in Drittmittelprojekten angestellt oder Stipendiat:innen sind) oder von grotesk unterbezahlten, freiberuflichen Lehrbauftragten.

  • #4

    Außeruniversitär (Mittwoch, 13 Dezember 2023 10:50)

    Das ist ein wichtiges Thema, das ernst genommen werden sollte. An der Kununu-Darstellung ist meines Erachtens schon etwas dran, wenn man auf die Arbeitsbedingungen für Dauerbeschäftigte im Wissenschaftsbereich schaut (Unis mal weggelassen). Da kann ich dem Kommentar von Florain nur zustimmen, im Bereich der Ressortfoschungseinrichtungen zeichnet sich ein ähnliches Bild wie an den FHs. Viele Wissenschaftler*innen entscheiden sich auch bewusst für FHs oder Ressortforschung, weil die Work/lifebalance deutlich besser als in vielen Firmen ist und oft das eigene Arbeitsportfolio zu einem hohen Ausmaß selbst gestaltbar ist. Dafür werden auch Abstriche im Gehalt in Kauf genommen.
    Beachtet werden sollte aber auch, dass je nach Firma und Industriesektor Work/lifebalance deutlich unterschiedlich interpretiert werden. Jobs in FuE-Abteilungen großer Industriekonzerne, die über eine 35 Stunden Woche bei verhältnismäßig gutem Gehalt verfügen, sind wohl auch als "leichter Beruf bei hohem Gehalt" einzustufen.

  • #5

    Penny Woeful (Donnerstag, 14 Dezember 2023 09:30)

    Es gibt sicherlich auch solche Profs, die eine große intrinsische Motivation haben, ihre Zeit sinnvoll zu füllen und zu forschen. Der Beitrag von Florain zeigt jedenfalls, dass Bewertungen der Lehrangebote, an die die Entlohnung gekoppelt sind, sinnvoll wären.
    Traurig finde ich, dass neue Berufungsverfahren in diesem oben beschriebenen Kontext trotzdem Jahre dauern. Bitte mehr Departmentsysteme mit Profs, die nicht automatisch genügend Personalausstattung erhalten, um alle Arbeit abzugeben.

  • #6

    Freigeist (Dienstag, 23 Januar 2024 05:30)

    @ Florain: Wenn es in der Hochschullehre so leicht ist, mit minimalem Aufwand ein gutes Geld zu verdienen - und das mit einem Maximum an persönlichen Entfaltungsmöglichkeiten - dann wundere ich mich, warum es an unserer Hochschule für angewandte Wissenschaften inzwischen drei bis fünf Ausschreibungsrunden braucht, um Nachfolger:innen für die ausscheidenden Kolleg:innen zu finden.

    Oft scheitern die Berufungsverfahren bereits an mangelnden Bewerbungen von gut qualifizierten und motivierten Kandidat:innen. Wenn es tatsächlich gelingt eine Liste zu verabschieden, scheitern viele Verfahren an den Berufungsverhandlungen, wenn es zur (finanziellen) Sache geht.

    Obwohl die Gehälter in Baden-Württemberg im Vergleich zu den anderen Bundesländern hoch und die Hürden für eine Verbeamtung nach 3 Jahren eher niedrig sind, ist das Angebot, das die Hochschule vorlegen kann, im Verhältnis zu den Dienstaufgaben nicht attraktiv. Wir unterrichten tatsächlich 18 Semesterwochenstunden (SWS), von denen maximal 4 SWS für die Betreuung von Abschlussarbeiten abgezogen werden können.

    Forschungsaufgaben werden grundsätzlich verlangt, aber die Ausstattung mit Laborräumen und Personal ist äußerst dürftig. Man verweist gerne auf die Möglichkeit, Drittmittel einzuwerben. Auch hier beträgt die Entlastung von der Lehre maximal 4 SWS (abhängig vom Drittmittelumfang). Aufgaben in der universitären Selbstverwaltung (z. B. als Studiendekan:in) sind ebenfalls reihum zu übernehmen und werden inzwischen nur noch marginal mit SWS ausgestattet. Wenn man ein solches Amt übernommen hat, ist es oftmals sehr schwierig, es überhaupt wieder weitergeben zu können.

    Außerdem gelingt es selten, Kolleg:innen oder Lehrbeauftragte zu finden, um Vorlesungen oder Übungen abzugeben, selbst wenn man neue Aufgaben übernimmt. So kenne ich keine:n Kolleg:in, die nicht darüber klagt, dass überzählige SWS nach 5 Jahren verfallen. Die (unbezahlte) Mehrarbeit wird also praktisch erwartet.

    Im Rahmen der W-Besodung gibt es zwar die Möglichkeit, Leistungszulagen alle drei Jahre zu beantragen (an unserer Hochschule in 5 Stufen). Dafür sind umfangreiche Kriterienkataloge abzuarbeiten und die geleisteten Tätigkeiten minutiös zu dokumentieren. Nach Bewilligung gibt es dann eine Zulage von 250 Euro monatlich (vor Steuern). Man vergleiche das mal mit der Lohnentwicklung in der Wirtschaft, wenn man eine Führungsposition übernommen hat.

    Derzeit sind die Stufen 3 - 5 der Leistungszulagen auf Null Euro gesetzt, weil die Hochschule keine Mittel hat. Somit ist die Lohnentwicklung auf 500 Euro gedeckelt, anders als das bei der Einführung dieser Besoldungsordnung geplant war und es den jungen Kolleg:innen kommuniziert wurde. Es ist für mich nicht überraschend, dass manche frischberufene Professor:innen schon nach kurzer Zeit wieder in die Wirtschaft zurückgekehrt sind.

    Wenn man das Glück hat, mit seiner Familie im ländlichen Raum zu leben, kann man mit dem Gehalt als Hochschullehrer:in gut leben. Außerdem sind vier Wochen im Frühjahr und acht Wochen im Sommer wirklich frei von Dienstaufgaben. Für manche Kolleg:innen aber die einzige Zeit, sich der Forschung zu widmen. Am Ende bleiben dann die üblichen Ferienzeiten mit der Familie.